Bericht zum „Milchseminar“ 12.12.2015
Jungbäuerinnen und Jungbauern informieren sich beim „Milchseminar im Allgäu“
Der Termin im Veranstaltungs-Saal des Bistro „Akut“ (Erkheim) begann mit einem „Vis-a-Vis Gesprächskreis auf Augenhöhe“ an dem neben Jungbäuerinnen und -bauern der schwäbische BBV-Präsident Alfred Enderle, die Fachberaterin für Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale Bayern, Diplom Ökotrophologin Jutta Saumweber und von der Molkerei Ehrmann, Abteilung Milcheinkauf Gerhard Boscher teilnahmen.
Der schwäbische Jungbauernschafts-Bezirksvorsitzende Gerhard Östreicher und Bildungsreferent Karl Wagner erläuterten, dass Jungbäuerinnen, Jungbauern und Jungzüchter sich „unbedingt den Herausforderungen der Zukunft in unserem Bereich stellen sollen.“ Zumal die Anforderungen der Verbraucher hinsichtlich der Viehhaltung gestiegen sind und die Politik immer neue Rahmenbedingungen setzt, wie die Düngeverordnung, die die Landwirte beim Produzieren behindern.
Beim „Vis a-Vis-Gesprächskreis hieß es „Feuer frei“ für die Fragen der jungen Leute an die drei Referenten zur aktuellen Milchpreis-Situation. Wagner hatte eine Statistik mitgebracht die zeigte, dass der Bauer nach Abzug verschiedener Produktionskosten nur ein Milchauszahlungspreis von etwa 23 von etwa 55 Cent erhält. Jutta Saumweber von der Verbraucherzentrale Bayern bestätigte, dass der Milchpreis keine Transparenz bietet, was der Bauer letztendlich für seine Arbeit bekommt? Sie verwies darauf, dass er bei Ökomilch oder der „Berchtesgadener“ weitgehend weiß, dass der Bauer mehr Geld bekommt, als bei den Handelsmarken der Discounter.
Der Ehrmann-Milcheinkäufer Gerhard Boscher stellte das Unternehmen vor und verwies darauf, dass sein Haus sich auf Joghurt spezialisiert habe und keine Trinkmilch anbietet. „Wir kalkulieren so, um nach Möglichkeit Gewinn zu machen,“ so der Gast, doch dies hänge von vielen Faktoren ab. Beispielsweise ob man Markenartikel produziert und wie die Molkerei aufgestellt ist?
Alfred Enderle verwies auf die Besonderheit der Allgäuer Bauern mit ihren relativ kleinen Strukturen, die berücksichtigt werden müssen. Wenn er sich die süddeutschen Molkereien betrachtet so gebe es eine große Vielfalt an Markenartikel. Transparenz sei schwierig, da die wichtigsten Produktions- und Gewinnzahlen geheim bleiben. Um die heimischen Strukturen zu schützen, appellierte er, nicht Billigmilch zu kaufen sondern nach Produkten aus der Regionalschiene zu greifen. Enderle wies auch darauf hin, dass sein Verband keine Preise machen kann. „Unsere Aufgabe ist es, möglichst gute Rahmenbedingungen, wie bei der Tierhaltung und vielem mehr, für die Bauern zu schaffen.“ An die Jungbauern gewandt, sagte der schwäbische BBV-Vorsitzende, dass der Milchpreis auch wieder nach oben gehe. Sie sollten sich nicht von einzelnen, schwächeren Jahren beeindrucken lassen.
Ein Jungbauer wollte wissen, was es kostet ein neues Markenprodukt in die Regionale zu bekommen? Dazu erläuterte Boscher, dass bei Ehrmann eine eigene Abteilung sich nur der Neuentwicklung von Joghurts beschäftigt. Hinzu komme noch der Druck immer wieder neue Marken zu entwickeln und mit teurer Werbung zu puschen. Deshalb könne er keine Zahlen nennen.
Ein weiteres Thema waren die Handelsmarken der Discounter, wie beispielsweise die „Ja“-Milch. Boscher erläuterte dazu, dass der Ehrmann-Seniorchef sich sehr lange geweigert habe, „No-Name“-Produkte zu produzieren. Doch um die gute Marke Ehrmann zu erhalten, sei es notwendig auch Handelsmarken herzustellen.
Saumweber warf ein, dass die Verbraucher weitgehend wissen, dass Handelsmarken oft aus dem gleichen Haus wie Markenartikel stammen und entsprechend kaufen. Sie wies auch darauf hin, dass neue Untersuchungen zeigen, dass es den typischen Vollsortimenter- und Biomarktkäufer so nicht mehr gibt. Vielmehr werde bei Beiden eingekauft.
Ein Jungbauer sprach die Problematik an, dass die Milchqualität gleich gut ist, da schon seit langem nur gute Milch abgeliefert wird. Er kritisierte die Tatsache, dass bei Handelsmarken nicht konkret festzustellen ist, woher die Milch stammt und so auch norddeutsche Milch in heimischen Regalen landet. Saumweber sagte dazu, dass dies wohl nur auf Druck der Politik möglich wird. Apropos Preis: Boscher erläuterte, dass in seinem Haus diskutiert wurde, ob der Hinweis auf gentechnikfreies Futter auf die Verpackung gedruckt werden sollte? Doch man kam davon ab, da der Handel dies zwar begrüßt hätte – aber keine höheren Preise zahlen wollte!
Saumweber verwies auch darauf, dass der Begriff „Regionalität“ immer größere Bedeutung erlangt. Doch wie lässt sich dieser Begriff definieren? Untersuchungen sagen, dass damit primär der bayerische Raum gemeint sei.
Enderle merkte an, dass die Milchwirtschaft Handelsmarken benötigt, um die vorhandenen Mengen abzusetzen. Wichtig sei auch: Die Vielfalt der Milcherzeuger muss erhalten bleiben und trotz des Überangebots dürfe Milch keinesfalls verramscht werden.
Eine Jungbäuerin bemängelte, dass die Verbraucher nur in schwarz-weiß denken Entweder Alpenviehmilch oder aus hochindustrieller Haltung. Saumweber erläuterte, dass es wichtig sei, von dem Begriff „Massentierhaltung“ wegzukommen, da auch bei großen Betrieben gute Bedingungen herrschen. Leider würden beim Komplex „gesunde Ernährung“ selbsternannte „Fachleute“ Halbwissen verbreiten. Dies müsse aus den Köpfen herausgebracht werden: Milch ist ein wertvolles Lebensmittel und es ist wichtig jeden Tag ein Glas davon zu trinken.“
Ein Jungbauer bemängelte, dass Ehrmann quasi als Sponsor der bauernfeindlichen Sendung „Bauer sucht Frau“ auftritt, da vor jedem Beitrag für diese Molkerei geworben wird. Dies konterte Boscher mit den hohen Einschaltquoten. Die Verbraucher interessiert weniger das normale Leben in der Landwirtschaft. Auch habe die Molkerei keinen Einfluss auf die Inhalte dieser Sendung. Enderle ergänzte, dass diese Sendung nichts mit der Wahrheit auf den Höfen zu tun hat, sondern nur Unterhaltung ist. Die Macher dieser Sendung wollen nicht aufklären. Auch würden die Verbraucher oft wissen, dass Privatsender nur Show liefern und nicht das richtige Landleben darstellen. Gerade deshalb sei es wichtig, „Tage der offenen Tür“ abzuhalten.
Der BBV-Präsident ging auch auf die Mengensteuerung ein. Dies sei nur effektiv wenn die Grenzen geschlossen werden würden – was wiederum einem Exportstopp gleich käme, und bei dem herrschenden Milchüberschuss tödlich wäre. „Dies wäre nur eine Bauern-Beschäftigungstherapie.“ Kurz wurde auch TTIP andiskutiert. Hier vertrat Enderle den Standpunkt, dass erst nach Bekanntgabe was konkret fixiert ist, darüber entschieden werden kann.
„Meine Entscheidung(en) mein Weg“ darüber berichtete als Praktiker der LBJ-Vorsitzende Florian Götz, der zusammen mit seiner Familie in Großalfalterbach (Lks. Neumarkt , Oberpfalz) einen Fleckviehbetrieb bewirtschaftet. Er schloss seine Ausbildung mit dem Bachelor of Science „Landwirtschaft“ in Tiesdorf ab. Seit 2012 ist er Vorsitzender des Landesverbandes der bayerischen Jungzüchter (LBJ). Dieses Amt bindet zwar Zeit macht aber aufgrund der vielen Begegnungen auch großen Spaß und solange der Betrieb nicht darunter leidet, will er es weitermachen.
Der Hof ist seit 1567 in unterbrochener Erbfolge im Besitz seiner Familie und wird jetzt als Eltern-Sohn-GbR geführt. Der Tierbestand umfasst 95 Kühe, 80 Stück weiblicher Nachzucht, 35 Bullen und 60 Kälber. Bewirtschaftet werden 92 Hektar Ackerland, 22 Hektar Grünland und 14 Hektar Wald. Der Eigenanteil beträgt etwa 45 Prozent. Sie haben eine hohe Eigenmechanisierung mit schlagkräftigen Maschinen. An Lohnunternehmer werden Arbeiten vergeben wie Mais säen, häckseln, dreschen und pressen.
Der dreireihige Kuhstall ist mit Tiefboxen bestückt, die mit Stroh eingestreut sind. Gemolken wird mit einem Doppel Sechser Fischgrätmelkstall von DeLavel mit Abnahmeautomatik und Milchmengenmessung. Das Liegeplatzverhältnis beträgt 1:1 um den Tieren Komfort zu bieten. Weiter wichtig sind genügend Licht, Luft und Wasserversorgung. Zweimal täglich werden die Liegeboxen mit Stroh gefüllt. Hinzu kommt zweimal wöchentlich Hygienekalk. Die Milchinhaltsstoffe betragen 4,05 Prozent Fett und 3,55 Prozent Eiweiß. Das Durchschnittsalter der Kühe beträgt 4,5 Jahre und die Gesamtlebensleistung liegt bei 23 413 Kilogramm Milch.
Gefüttert wird Ganzjahressilage mit aufgewerter TMR auf etwa 28 Kilogramm Milch. Zwei Kraftfutterstationen sorgen für Ausgleichsfütterung. Körnermais wird von Hand separat am Trog vorgelegt. Der Referent ist überzeugt, dass eine gute Leistung ohne guten Grundfuttereinsatz nicht möglich wird. Wichtig ist der Familie Götz gutes Stallmanagement. So werden die Tiere mehrfach am Tag beobachtet, wobei die Milchleistung, Körperkondition, Haarkleid, Fruchtbarkeit, Futteraufnahme, Kotkonsistenz und Klauenpflege im Mittelpunkt stehen.
Schon seit 20 Jahren ist der Betrieb Eigenbestandsbesamer. Beim Züchten wird auf großrahmige, leistungsbereite und umsatzbetonte Tiere mit straffen Fundamenten und problemlosen Eutern gelegt. Und dies schon seit Jahren. So war die Familie Götz der erste Betrieb über 100 000-Kilogramm-Stalldurchschnitt in der Oberpfalz. Weiter war der Hof bereits drei Mal Fleckviehzüchter des Jahres!
Zur Philosophie von Götz gehört es, den Weltmarkt im Auge zu behalten was den Ein- und Verkauf betrifft. Ebenso nur in betriebswirtschaftlich gesunden Schritten zu wachsen und als Familienbetrieb bestehen zu bleiben. Er plädierte auch dafür, solange zwei Generationen auf dem Betrieb sind, dies auszunutzen, um in Urlaub zu fahren.
Zum Abschluss dieses Tagesseminars referierte Diplom-Ingenieur Michael Wöckinger von der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. Er ist in der Abteilung Tierproduktion – Milchwirtschaft tätig und Leiter der Beratungsstelle Rinderproduktion in Oberösterreich in Linz. Ihm war das Thema „Die Österreicher – wie schaffen sie es nur, mit kleinerer Struktur so erfolgreich zu sein?“
Er wiegelte lächelnd ab und meinte, dass auch die österreichischen Bauern nicht unbedingt besser seien, räumte aber ein, dass etwas bessere Rahmenbedingungen vorherrschen. Die Höfe betreiben meist ein gutes Kostenmanagement. Steuerliche Vorteile bescheren den österreichischen Betrieben auch deutliche Vorteile gegenüber ihren Kollegen in Bayern/Deutschland. Auch würde je nach Standortlage entsprechend gewirtschaftet. Trotz der kleinen Molkereistruktur sind die Molkereien in Österreich sehr erfolgreich und exportieren ihre Molkereiprodukte auch. Die AMA (Agrar-Marketing-Agentur) ähnelt der abgeschafften CMA in Deutschland. Die Marketingagentur ist erfolgreich bei der Verankerung von Lebensmitteln aus Österreich im Ausland und beim Regionalmarketing. „Besser wir haben sie, als eine Abschaffung wie in Deutschland“, so Wöckinger. „Der Familienbetrieb ist bei uns jetzt und in Zukunft das Erfolgsmodell und bei uns in Österreich sind wir stark bei Qualitätsprodukten und Veredelung.“ Wöckinger hofft, dass der Milchpreis bald steigt. Auch um das Milch zu produzieren, wieder attraktiver zu machen. Er bestätigte zum Schluss Parallelen zur bayerischen und deutschen Entwicklung auf dem Milchsektor und sieht den zunehmenden Strukturwandel durch den Milchpreisverfall in Österreich wie auch hier in Bayern/Deutschland. Er lud alle ein, den Weg nach Österreich zu wagen (großes grinsen im Plenum) einen Partner zu suchen (z. B. die Jungbauern in Österreich) um mehr über da wirtschaften der Landwirte in Österreich zu erfahren. „Wir sitzen doch alle in etwa im selben Boot“, so Wöckinger. Gerhard Östreicher bedankte sich bei allen Referenten des Tages mit der Übergabe des Landjugendkochbuches und lobte die Anwesenden für ihr Kommen. Sagt es weiter, wenn der Seminartag euch was gebracht hat.
Toni Ledermann (Redakteur)
Karl Wagner (Ergänzungen)