Globales Agrarmarketing steht für weltweite Ernährung und Frieden
Regionale Vermarktung macht Sinn bei kurzen Wegen und zur Unterstützung der Wertschöpfung in der Landwirtschaft
Agrarproduktion für Schwabing, Paris, Chicago – die Welt ist eine Region, so lautete der provokante Titel der Grainauer Junglandwirte-Tagung in Grainau. Traditionsgemäß findet im Zugspitzdorf immer am ersten Adventswochenende das dreitägige agrarpolitische Treffen der Bayerischen Jungbauernschaft, die Grainauer Junglandwirte-Tagung statt. Zahlreiche Führungskräfte und Mitglieder treffen sich bereits ab Freitagabend zu Vorträgen und Diskussionen zu agrarpolitischen Themen.
Dass der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes Walter Heidl schon traditionsgemäß daran teilnimmt, wird von den Jungbauernschaftler sehr gerne gesehen. Mit „seinem“ berufsständischen Präsidenten die Dinge schon mal bei einem Kamingespräch in lockerer Atmosphäre in der Runde, oder aber auch betrieblich, kollegial besprechen zu können, belohnt die Teilnahme der jungen Landwirte und kommt der ganzen Veranstaltung zugute. So wird, was sein sollte, das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden. In erster Linie ging es dabei um eine Strategie für die Tierhaltung im gesellschaftlichen Kontext und weiter um eine Exportstrategie und Regionalvermarktung für unsere Produkte. Ganz wichtig auch das schwebende Gesetzgebungsverfahren für eine Düngeverordnung und weitere Themen, die sich aus dem Gespräch ergaben.
Deutsche Landwirtschaft auf dem Weltmarkt – Realität oder Fiktion?
Niemand anderer als Willi Kampmann vom Deutschen Bauernverband hätte dieses Thema besser behandeln können, wie er als ständiger Vertreter des Bauernverbandes über 16 Jahre in Brüssel. Kampmann: Die Globalisierung der Agrarmärkte ist Realität und die EU-Agrarpolitik verfolgt konsequent den Kurs der Marktorientierung. Das Risiko- und Krisenmanagement hat eine zentrale Bedeutung in der EU-Marktpolitik, wobei das aber auch bedeutet, dass das einzelbetriebliche Risikomanagement an Bedeutung gewinnt. Jeder Produzent hat sein Risiko für sich selber zu testen. Zudem erfordern neue Formen in der Zusammenarbeit in der Lebensmittelkette auch neue Antworten seitens der Produzenten. Trotz aller Neuerungen überwiegen die positiven Markttendenzen. Die bestimmenden Faktoren für die internationalen Agrarmärkte sind einerseits die weltweit abgeschwächte konjunkturelle Entwicklung und zum anderen die starke Belastung durch die Energiepreise. Zudem verzerrt ein starker US-Dollar die internationalen Rohstoffmärkte und das Russland-Embargo bringt direkte und indirekte Effekte, die sich auf die Weltmärkte auswirken. Die Erntesituation, so Kampmann, sei international gut und so konnten Bestände aufgebaut werden. Zudem wachse die Weltbevölkerung eminent auf neun Milliarden bis 2050 und will versorgt werden und nicht nur mit Reis, sondern auch mit Fleisch, besonders in Asien. Stark begrenzende Faktoren sind zudem Boden und Wasser. Die Qualitäts- und Nachhaltigkeitsaspekte sind drängend, aber trotzdem sind die Marktperspektiven mittel- und langfristig positiv. Die Uruguay-Runde hat zwischen 1995 und 2000 umfassende Liberalisierungen auch in der Landwirtschaft umgesetzt. Zu vielen Ländern, angefangen von Kanada, der Ukraine, Kolumbien bis hin zu Georgien und Singapur, sind von der europäischen Handelspolitik bilaterale Abkommen getroffen. Verhandlungen finden statt mit den USA, Japan und Mexiko und vielen anderen Staaten, darunter auch die MERCOSUR-Staaten (Brasilien, Argentinien, Paraguay, Uruguay, Venezuela). Weitere Abkommen sind geplant mit Neuseeland, Australien, Philippinen und Indonesien. Die Agrarhandels-Einfuhren stiegen von 2009 bis 2013 von 88,2 Milliarden auf 114,9 Milliarden und die Ausfuhren im gleichen Zeitraum von 68,7 auf 115,9 Milliarden Die TOP-Handelspartner der EU-28 sind im Jahr 2013 bei den Ausfuhren die USA mit 289 Milliarden, gefolgt von der Schweiz mit 169 Milliarden, China mit 148 Milliarden und Russland mit 119 Milliarden Die gesamten Ausfuhren beliefen sich auf 1.707 Milliarden und die Einfuhren auf 1.005 Milliarden Euro. Der gesamte deutsche Außenhandel stieg von 1999 bis 2014 beim Import von 39,6 auf 75,4 Milliarden Euro und der Export von 24,9 auf 66,7 Milliarden Euro. Den Löwenanteil am Deutschen Außenhandel halten sowohl beim Import wie auch beim Export die EU-Staaten, gefolgt von Entwicklungsländern und an dritter Stelle die übrigen Länder. Die USA sind jeweils nur mit zwei Prozent beim Export bzw. mit drei Prozent beim deutschen Import dabei.
Generell festzustellen sind: Ein Rückzug der Politik aus der Marktverantwortung, entkoppelte Flächenprämien, (regional/national) die Einführung von Cross Compliance-Standards, die Einbindung von Umwelt- und Naturschutzaspekten sowie die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete. Die Marktstützung reduziert sich auf ein Risiko- und Krisenmanagement.
Die EU-Agrarreform GAP 2014 – 2020 hat den Kurs in der Marktorientierung fortgesetzt, die Mengenbegrenzungen laufen aus, bei Milch 2015 und Zucker 2017, die EU installiert ein neues Pflanzrechtsystem für Weinreben von 2016 bis 2013, baut eine Krisenintervention mit privater Lagerhaltung aus. Zudem sollen Globalisierungsfonds und gegebenenfalls Handelsliberalisierungen abmildern und eine Absatzförderung soll den Binnen- und Drittlandsmärkten zugutekommen. Ein EU-Hilfspaket mit 500 Millionen Euro ist vorrangig für Milch und Schwein eingerichtet. Der deutsche Anteil beträgt 70 Millionen Euro. Weitere Hilfen sind ein Liquiditätsprogramm über BLE und die Landwirtschaftliche Rentenbank. Kampmann stellte klar, dass die EU-Absatzförderung von 111 auf 200 Millionen Euro erweitert wurde, die EU-Absatzförderung ebenso von 50 auf 70-80 Prozent, die Verpflichtung zur nationalen Kofinanzierung entfällt, ein Sonderprogramm von 30 Millionen für Milch und Schwein eingerichtet ist. Allerdings gibt dafür eine Ausweitung der Antragsberechtigung auf die Erzeugerorganisationen, aber auch eine Vereinfachung des Antragsverfahrens. Dazu kommt eine Exportförderung von 3 Millionen Euro; für Geschäftsanbahnung, Information und Produktpräsentation, ein Auslandsmesseprogramm und Verhandlungen zum Abbau von Handelshemmnissen als nationale und europäische Aufgabe.
Internationaler Agrarrohstoffhandel und die Bedeutung für die heimische Landwirtschaft
Dieses Thema bearbeitete Professor Klaus Josef Lutz, Vorstandsvorsitzender der BayWa AG, München vor den Jungbauernschaftlern. Anhand von gegenübergestellten Schaubildern verdeutlichte Lutz gleich zu Anfang seines temperament- und kraftvoll vorgetragenen Referats, wie sich die BayWa in den letzten 50 Jahren in ein modernes, den Erfordernissen der Zeit angepasstes weltweit agierendes Unternehmen gewandelt hat.
Lutz verdeutlichte folgende Ausgangsdaten: Erwartet wird eine Bevölkerungsentwicklung von 1950 an bis 2050 von 2,5 Milliarden auf 9,1 Milliarden Das Bruttoinlandsprodukt wird stark ansteigen, vor allem in Nordamerika (zirka 60 %) und in Südamerika (zirka 100 %), weniger in Europa (< 50 %), am stärksten aber in China (350 %), in Indien (500 %) und in Afrika (250 %). Die Fleischnachfrage wird von 1985 bis 2025 von 150 Millionen Tonnen auf knapp 400 Millionen Tonnen steigen.
Schon zu Anfang seiner Ausführungen meinte Professor Klaus Josef Lutz: „Sie sind in einer interessanten Branche unterwegs“ und ging auf die weltweiten Handelsströme ein. Die größten Exporteure sind Südamerika mit Sojabohnen und Sojaschrot (Gesamt 240 Millionen Tonnen) und Nordamerika mit Getreide. Als die größten Abnehmer stellen sich die EU, der Nahe Osten und Nordafrika sowie China und Asien mit zirka 70 Millionen Tonnen dar. Die Mena, also der Nahe Osten und Nordafrika, ist reiner Importeur. Ein weiterer Importeur ist die EU mit bedeutender eigener Produktion sowie einem Binnenhandel.
Die Handelsströme des BayWa-Konzerns bewegen sich größtenteils innerhalb der EU. Importiert werden Teile aus Nordamerika, größter Warenstrom ist der Import von Soja aus Südamerika mit 5,5 Millionen Tonnen, erwartet werden 2016 7 Millionen; 2,5 Millionen Tonnen Mais aus der Schwarzmeerregion und Spezialitäten (1 Millionen Tonnen) aus der APAC, China und Asien sowie Südamerika. Exportiert wird auch in den Nahen Osten und Nordafrika (BMTI).
Die Bedeutung der SOAM-Region im globalen Warenhandel stellt sich wie folgt dar: Argentinien und Brasilien haben sich in den letzten 20 Jahren zu den weltweit bedeutendsten Exporteuren von Agrarerzeugnissen, insbesondere von Soja entwickelt.
Der Importbedarf im Asiatischen Raum (China, Korea und Japan) sowie im Mittleren Osten ist in deutlichem Maße angestiegen. Professor Lutz verdeutlichte auch das Welthandelsvolumen bei Getreide und Ölsaaten im Zeitraum von 2000 bis 2015. Danach liegt der Welthandel nach kontinuierlicher Steigerung der letzten Jahre bei zirka 400 Millionen Tonnen. Der Anteil von Südamerika am Welthandel liegt bei zirka 30 Prozent auf dem Niveau der USA. Argentinien und Brasilien werden ihre landwirtschaftlichen Flächen in den nächsten Jahren signifikant ausweiten. Die Bedeutung der Schwarzmeer- und der südamerikanischen Region wird stark zunehmen. In der landwirtschaftlichen Produktion zeigt sich in Bayern ebenfalls eine fortschreitende Entwicklung hin zu wenigen, großen Betrieben bei schwindender landwirtschaftlich genutzter Gesamtfläche. Die Anzahl der Betriebe über 30 ha steigt sehr langsam; die Anzahl der Betriebe unter 30 ha nimmt stark ab. Die Erträge steigen enorm, allein am Weizen kann eine 400 %ige Ertragsteigerung in den letzten 100 Jahren am Beispiel Weizen beobachtet werden. Im Jahr 1910 wurden 19 Dezitonnen pro Hektar geerntet, 2010 waren es bereits 75 Dezitonnen pro Hektar. Betriebsmittel wie Saatgut, Pflanzenschutz, Düngemittel haben eine Mechanisierung bei der Bodenbearbeitung, der Aussaat sowie bei Pflege und Düngung, Pflanzenschutz und Ernte gebracht. Während heute ein Landwirt 132 Menschen ernährt, waren es 1900 lediglich vier. Produktionssteigernde Produktionsmittel, Mechanisierung sowie Forschung und Bildung haben das fertig gebracht.
Das alles hat fundamentale Herausforderungen für die BayWa AG gebracht. Das BayWa-Segment Agrar wird gekennzeichnet durch eine Landwirtschaft, die sich im Umbruch befindet, und durch die Globalisierung des Marktes für Agrarrohstoffe – Stichwort “Schlacht um die Ressourcen“. Dazu kommen ein Aufbrechen des Genossenschaftlichen Prinzips und das Eindringen internationaler Investoren sowie begrenzte Wachstumsmöglichkeiten am Heimatmarkt und die Forderung des Lebensmittel-Einzelhandels (LEH) nach ganzjähriger Liefermöglichkeit von Obst und Gemüse. Die daraus resultierende Management-Herausforderung ist eine Identifikation von Wachstumspotentialen, die Formulierung und die konsequente Umsetzung einer Wachstumsstrategie und der Anstoß eines Chance-Managementprozesses.
Die Erschließung neuer Geschäftsmodelle, einer Internationalisierung stand also für die BayWa an. Konkret wurde daraus die Übernahme eines internationalen Getreidehändlers, was zu einer Verzehnfachung der gehandelten Volumina führte, die Investition in moderne leistungsfähige Infrastruktur und die Übernahme eines internationalen Obsthändlers. Des Weiteren kam dazu der Aufbau eines internationalen Projektierers im Bereich erneuerbare Energien und der Einstieg in neue Geschäftsmodelle im Bereich der klassischen Energie, Ökostrom, Pellets etc.
Die aktuelle Marktentwicklung war auch Thema des Vortrages von Professor Lutz: So kommt die Volatilität der letzten Monate vor allem aus den vier Bereichen: Managed Money – Entwicklung der Mineralölpreise – Entwicklung der Devisenkurse – wirtschaftliche Entwicklung der Volksrepublik China und die chinesische Agrarpolitik. Wir werden damit auch in Zukunft leben müssen.
Für die Schlussfolgerungen präsentieren sich folgende Rahmenbedingungen:
– Der Megatrend des Bevölkerungswachstums und die Herausforderungen der globalen Ernährungssicherung bieten Chancen für die gesamte Agrarbranche.
– Der Agrarhandel ist geprägt von globaler Beschaffung zur Sicherung der Versorgung, das bedingt weltweite Warenströme.
– Die heimische Landwirtschaft befindet sich weiterhin in einer Umbruchphase; das wiederum führt nach Professor Klaus Lutz zu der Feststellung Global = Lokal; Lokal = Global und somit zu einer Internationalisierung
Zusammenfassung:
– Agrarrohstoffmärkte sind geprägt von Volatilität
– Die Internationalisierung im Agrarhandel ist eine existentielle Notwendigkeit und verbessert die Vermarktungschancen für die heimische Landwirtschaft
– Die heimische Landwirtschaft (Voll- und Nebenerwerbsbetrieb) ist Teil des globalen Systems
Abschließend verdeutlichte Professor Lutz nochmals zwanzig Einflussfaktoren auf die Preise im Agrarhandel anhand eines Schaubildes als ineinandergreifende Zahnräder. Bewegt sich nur ein einziges, hat das gravierenden Einfluss auf alle und Alles.
Vom Acker bis zum Teller, alles unter einem Dach
Karl Schweisfurth, Geschäftsführer der Herrmannsdorfer Landwerkstätten, Glonn GmbH & Co.KG stellte die Herrmannsdorfer Landwerkstätten vor. Bereits sein Großvater hatte 1887 einen Fleischereibetrieb gegründet, der sich in den Folgejahren mit einem Generationswechsel zur modernsten Fleischwarenfabrik, der Wiege der Herta-Wurst entwickelte.
Mit dem Anfang der 80er Jahre und einem weiteren Generationswechsel kam Karl Ludwig Schweißfurth der Gedanke, dass diese Art der Aufzucht und Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere falsch sein könnte. Er meinte „Wir haben übertrieben und bäuerliche Tierhaltung in industrielle Produktion verwandelt, mit dem Ziel, die Tiere auf immer höhere Leistungen zu trimmen. Ich steige aus und beginne noch mal von vorne, mit ökologischer Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung – mit den Erfahrungen von dreißig intensiv gelebten Jahren!“ Er verkaufte sein Unternehmen „Herta“ und hielt Ausschau nach einem geeigneten Projekt. 1986 gründete er die Schweisfurth-Stiftung in München und fand in Herrmannsdorf bei Glonn ein großes Gut – der Aufbau der Herrmannsdorfer Landwerkstätten konnte beginnen! 1996 übernahm Sohn Karl Schweisfurth, das Unternehmen. Heute leitet er die Herrmannsdorfer Landwerkstätten mit rund 120 Mitarbeitern, wo seit fast 20 Jahren ökologische Lebens-Mittel produziert werden. Er gründete zahlreiche Filialen in München und Umgebung und hat ein Vertriebsnetz mit Fleisch- und Wursttheken in mehreren Städten bundesweit aufgebaut. Herrmannsdorf wurde so zum Mittelpunkt eines Netzwerkes von über 100 Bauern und Herstellern in der Region, wobei Herrmannsdorf als Schwerpunkt die Verarbeitung der ökologisch erzeugten Pflanzen und Tiere in Metzgerei, Bäckerei, Käserei und Brauerei, sowie die Vermarktung der Lebensmittel in bester ökologischer Qualität übernimmt.
Die alte Landrasse, das Schwäbisch-Hällische Schwein wurde wegen seiner Robustheit, seiner guten Muttereigenschaften und der ausgesprochen hochwertigen Fleischqualität ausgesucht. Die Haltung erfolgt auf Stroh mit Sommer- und Winterauslauf. Die Ferkel werden doppelt so lang von ihrer Muttersau gesäugt, es gibt Getreide, Bohnen, Erbsen, Gras und Heu zu fressen. Das macht die Tiere lebensfroh, stark und gesund. Die Haltung erfolgt auf einem vier Hektar großen Areal. In den Koppeln finden sich Obstbäume, Hügelbeete, Hecken, Äcker, Wiesen und Wege. Darauf werden Schweine, Hühner, Schafe, Gänse und ein paar Rinder alle zusammen und das ganze Jahr über an der frischen Luft gehalten. Die Tiere vertragen sich nicht nur prächtig, sie beschützen und pflegen sich auch gegenseitig und gerade die neugierigen Schweine können eine ganze Menge spielen, und erleben. Diese Lebensform wird weiter ausprobiert und optimiert.
Karl Schweisfurth lädt jederzeit zur Besichtigung auf den Herrmannsdorfer Landwerkstätten ein.
Tierhaltung und Ethik – was hat sich in unserer Gesellschaft verändert?
Magister Christian Dürnberger vom (ITT) Technik, Theologie-Naturwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München
Was sind nach Ihrer Meinung die zwei Hauptaufgaben der Landwirtschaft, so die Umfrage von Spezial Eurobarometer? Die meisten (38 %) meinten, „Die Sicherstellung einer Vielfalt an hochwertigen Produkten“, gefolgt von der Meinung: „Die Aufrechterhaltung von wirtschaftlichen Aktivitäten und Beschäftigung in den ländlichen Gebieten“ (36 %) und auf Platz 3 folgt: „Der Schutz der Umwelt“ (32 %). Es folgen die „Sicherstellung der Nahrungsmittel-Selbstversorgung in der EU“, „Das Wohlergehen der Nutztiere und die „Förderung und Verbesserung des Lebens auf dem Land“ (21 %). Die Antworten zeigen die Vielfalt der Erwartungen und dass die Erwartungen an die Landwirtschaft zentrale gesellschaftliche Werte widerspiegeln. So sind Verbraucherantworten bei weitem ungleich mit dem Verbraucherverhalten. Bei der Frage nach dem Faktor, welcher für Sie bei der Kaufentscheidung von Fleisch entscheidend ist, gab es hinsichtlich der Qualität 56 % Zustimmung, die geografische Herkunft erhielt 20 % und der Preis lediglich 18 %. Beispiel: „High-Tech Bauernhof mit Schweinhaltung“. Dieser Betrieb produziert gesunde und unbedenkliche Produkte; schafft und sichert Arbeitsplätze im ländlichen Raum; weist eine gute Klimabilanz und hohe tierethische Standards auf.
Trotzdem, es kommt ein Verlustgefühl auf. Ein weiteres Bespiel, die Ursprünglichkeit betreffend: „Bäuerliches Leben steht für das einfache, ursprüngliche und wahre Leben mit und in der Natur“. Also eine „Romantisierung angesichts der Schattenseiten der urbanen Zivilisation. Das ist keine Erfindung der Moderne. Technik soll, um ansprechende Reklame zu bieten, nur in Maßen eingesetzt werden. „Wir haben das modernste Fütterungssystem der Welt“ wirkt wie das Gegenteil von Idylle.
Dürnberger stellte auch heraus, dass Bilderwelten und Projektionen keine Stolpersteine für die Kommunikation zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft werden. Der Schlüssel für das Wissen über die landwirtschaftliche Praxis ist der Abbau von realitätsfremden Vorstellungen und realitätsfremden Erwartungen. Zwischen den Nutztierhaltern und der Gesellschaft steht die zunehmende Entfremdung: Immer weniger kennen landwirtschaftliche Praxis. Die Nutztierhaltung kapselt sich immer mehr ab. Kontakt mit Tieren findet in der Regel nur im Kontext mit der Heimtierhaltung statt. Die steigenden Erwartungen an den Tierschutz in der Nutztierhaltung bringen Spannungen. Der Konsum tierischer Produkte zu günstigen Preisen (Ramsch) entwertet auch. Dürnberger: „Landwirtschaft ist ein Ort der Produktion von Nahrungsmitteln, aber auch ein Ort, wo wir als Gesellschaft gemeinsam bedeutende Werte realisieren“.
Landwirtschaftspolitik zwischen Regionalisierungstendenzen und Weltmarkt – wie kann man reagieren und was ist die Region?
Stefan Dürr, ein Landwirt aus Baden-Württemberg ist heute Geschäftsführender Gesellschafter und CEO der Ekosem-Agrar GmbH, Walldorf.
Die ersten Kontakte bringen Stefan Dürr als Praktikanten in die damalige Sowjetunion. Später folgen ein Studentenaustausch und ein über die Jungbauernschaft vermittelter Praktikantenaustausch. Es kommt zur Gründung der EkoNiva. Heute hat der Betrieb fast dreitausend Angestellte. Es finden sich auch noch Nachfahren von vertrieben und deportierten, wie auch von Katharina der Großen angesiedelten Deutschen. Die Betriebe liegen im Westsibirischen Tiefland, der Kornkammer Russlands und umfassen 170.000 ha, was dem 6-fachen des größten Agrarbetriebes Deutschlands Russlands umfassen. Darüber hinaus ist Stefan Dürr der zweitwichtigste Milchbauer in Russland. Seine Kühe liefern 20 Millionen kg Milch im Jahr. Dürr´s Einstellung: Soviel wie man will, kann man schaffen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion sah Dürr seine Chance für seine Betriebe in der Nähe von Novosibirsk. Neben hochmodernen Anlagen mit Melkkarussellen gibt es dort auch noch Handarbeit. In Russland, so Dürr, läuft das Leben noch langsamer. Das Land ist sehr fruchtbar, allerdings gibt es vom Klima her fast keinen Übergang vom eisigen Winter in den Frühling und ebenso auch nicht vom Herbst in den Winter. Die Vegetationsperiode ist kurz.
Die EkoNiva ist der Größte Milcherzeuger Russlands und besteht aus sieben Landwirtschaftlichen Betrieben. Die Landwirtschaftliche Nutzfläche umfasst 196.000 Hektar, zirka 54.500 Rinder, davon 24.500 Milchkühe, die 530 Tonnen Milch am Tag liefern.
Die wichtigsten Erfolgsfaktoren im Pflanzenbau sind der Blockanbau, die vorgegebene Standardtechnologie, der Pflanzenschutz nach Plan und die verstärkte Anwendung von No-Till Verfahren. In der Precision Farming sind das Monitoring des Maschineneinsatzes und seine Effizienzsteigerung wichtig. Der Missbrauch, insbesondere das Entwenden des Diesels ist zu minimieren. Ebenso die Effizienzsteigerung des Betriebsmitteleinsatzes durch teilflächenspezifische
Ausbringung von Mineraldünger, Pflanzenschutzmitteln und Saatgut.
Auch die Mitarbeiter werden als wichtige Erfolgsfaktoren gesehen. Der Fokus liegt dabei auf den jüngeren Mitarbeitern. Die Zusammenarbeit von jungen High-Potentials mit Erfahrenen, von ortsansässigen mit ortsfremden Fachkräften wird geübt und zeigt gute Ergebnisse. Ein komplexes Lohn- und Motivierungssystem tut das Seine. Die Ausbildung findet in der EkoNiva-Akademie statt, auch die Aus- und Weiterbildung für alle Mitarbeiter. Darüber hinaus gibt es firmeninterne Fortbildungsprogramme für die Aus- und Weiterbildung, Masterklassen für Fach- und Führungskräfte und Seminare und Studienreisen ins Ausland. Die Zusammenarbeit mit Hochschulen wird gepflegt und begabte Studenten werden mit Stipendien unterstützt. Zudem werden Praxisstellen für künftige landwirtschaftliche Fachkräfte angeboten. Landwirtschaftliche Betriebe haben auch eine soziale Verantwortung, welcher nachzukommen ratsam erscheint.
Das wirtschaftliche und politische Umfeld im Agrarsektor in Russland basiert auf sehr großen Betriebsstrukturen und einem gut entwickelten vor- und nachgelagertem Bereich. Die Preise für pflanzliche Erzeugnisse liegen leicht unter Weltmarktpreisen. Gute Erzeugerpreise werden für Milch und Fleisch gezahlt. Insgesamt hat der Agrarsektor einen sehr hohen politischen Stellenwert. Die staatlichen Förderprogramme sind sehr gut dotiert.
Wie steht´s um die Milchproduktion in Russland? Der Verbrauch steigt moderat, die einheimische Milchanlieferung an die Molkereien umfassen 13 – 14 Millionen Tonnen pro Jahr. Es ist ein starker Rückgang der Milchkuhhaltung in privaten Hofwirtschaften zu vermerken, ebenso wie in traditionellen Agrargenossenschaften. Allerdings gibt es einen zaghaften Anstieg von Familienbetrieben im Milchviehbereich. Eine steigende Milchviehhaltung ist in modernen Großbetrieben (derzeit 3 Millionen Tonnen Milch pro Jahr) zu verzeichnen. Ein Riesenproblem ist die Produktpanscherei mit technischem Palmöl (bei Käse zirka 70 % aller verkauften Käse).
Noch ein Wort zum Milchpreis-Vergleich zwischen Deutschland und der EkoNiva: Im Jahr 2008 lag der deutsche Milchpreis mit 32,84 Ct noch um einen Cent über dem EkoNiva-Niveau-Preis von 31,78 Ct. Mittlerweile liegt der Preis von EkoNiva mit 36,30 Ct über dem deutschen Preis mit 27,10 Ct. Allerdings hat der Wechselkurs verloren von 42,43 Rubel für einen Euro auf 66,50 Rubel für einen Euro.
Die 2015er Grainauer Junglandwirte-Tage waren mit hervorragenden Referenten zu den verschiedenen Themen besetzt. Eine Veranstaltung, die durchaus mehr junges Publikum verdient hätte. Es geht zum Großteil der Entscheidungen um die junge, nachwachsende Generation. Sich informieren heißt, seinen Weg mitbestimmen können.
Bilder und Text
Franz Obermeier