Coronabedingt tagten die Junglandwirtinnen und Junglandwirte am ersten Adventswochenende dieses Jahr vor ihren Bildschirmen und nicht wie gewohnt im Seminarhaus Grainau. Zum Thema „Landwirt: Heute Tierquäler, morgen Versorgungsgarant. Wie weit hilft Öffentlichkeitsarbeit und wo steckt eigentlich der LEH?“ bot der Arbeitskreis Agrarpolitik ein spannendes Seminarprogramm.
Rund 40 Junglandwirtinnen und Junglandwirte aus ganz Bayern und darüber hinaus beschäftigten sich vergangenes Wochenende mit Themen, die gerade in Zeiten der Corona Krise hochaktuell im landwirtschaftlichen Bereich sind: Die Landwirtschaft rückt in den Fokus des öffentlichen Interesses und die Diskussion darum wird immer lauter. Die Meinungen zur Landwirtschaft sind widersprüchlich: Sie ist Versorgungsgarant, wird aber zugleich mit Vorwürfen konfrontiert. Die Landwirte müssen ihr Handeln vor der Gesellschaft rechtfertigen. Diese gesellschaftlichen Phänomene, Lösungsansätze durch Öffentlichkeitsarbeit und die Rolle des Lebensmitteleinzelhandels, waren Thema der diesjährigen Tagung.
Landwirtschaft in der Gesellschaft – widersprüchliches Konsumverhalten
Zum Einstieg in die Grainauer Junglandwirtetagung wählte der Arbeitskreis den Ernährungspsychologen Prof. Dr. Klotter zum Thema „Gutes Fleisch aber bitte maximal günstig“. Klotter erklärte die das widersprüchliche Verhalten der Verbraucher. „Wir leben in einem Schlaraffenland und im Überkonsum, die Gesellschaft verspürt aber trotzdem wenig Dankbarkeit oder Zufriedenheit.“, so Klotter. Die Landwirtschaft müsse mehr in die positive Kommunikation mit der Gesellschaft treten und ihre Wertschöpfungsketten nach außen kommunizieren. Besonders wichtig sei es auch regionale Netzwerke aufzubauen, „über den eigenen Hof hinausschauen“ und beispielsweise mit KiTas, Schulen und Vereinen zu kooperieren.
Rege Diskussionen mit dem Vertreter des Lebensmitteleinzelhandels
Rede und Antwort stellte sich Dr. Leif Balz der Schwarz Gruppe, Lidl und Kaufland, den Landwirtinnen und Landwirten. Im kurzen Input erklärte er, dass bei ihnen der Preis noch immer die Nummer eins, in der Kommunikation mit dem Kunden sei. Der Einzelhandel müsse sich aber an den gesellschaftlich geforderten Ansprüchen anpassen und zunehmend biologisch und nachhaltig erzeugte Lebensmittel in den Markt bringen. Viele Fragen aus dem Plenum drehten sich um die Einkaufspreise und Vermarktungspreise und wie sich das auf die Bauern zurückschlägt. Balz appellierte an die Jungbauernschaft „den LEH als Möglichmacher und nicht als Gegner“ zu betrachten. Er sei „Absatzmacher für eine stabile deutsche Landwirtschaft“, so Balz. In der regen Diskussion ging es weiter heiß her, etwa zum Umgang vom LEH mit Schadstofftoleranzen bei Importen. Wiederholt kritisiert wurden die unterschiedlichen Anforderungen und Standards der Importländer und deren Produkte. Die unter strengen Auflagen erzeugten deutschen Produkte sind nicht konkurrenzfähig gegenüber den ausländischen Produkten im Regal. So forderten die Jungbäuerinnen und Jungbauern immer wieder faire Preise für die eigenen Produkte. Auf die Frage, wie sich die Landwirtschaft aus Sicht des LEH entwickeln solle, äußerte Balz mehr Klimaresilienz, Nachhaltigkeit und hin zu mehr Offenheit. Für die Offenheit im Gespräch bedankte sich der AK II Sprecher Matthias Högl bei Dr. Balz.
Landwirtschaft in den Medien und den Gefühlen der Gesellschaft
Am Sonntagvormittag referierte Dr. Jan Grossarth, Journalist und Buchautor über „Gefühlige Öffentlichkeit und technische Landwirtschaft – Die Geschichte vieler Missverständnisse“. Er zeigte der Jungbauernschaft anhand Beispiele auf, wie die Landwirtschaft medial dargestellt wird und wie sich diese Statements in den Medien aus gesellschaftlichen und soziologischen Parametern zusammensetzen. Dr. Grossarth forderte die Junglandwirtinnen und Junglandwirte auf, in den fachlichen Austausch mit der Gesellschaft zu treten. Wichtig in der Kommunikation sei die emotionale Komponente, sodass die Verbraucherinnen und Verbraucher einen direkten emotionalen Bezug zum Produkt herstellen können.
Statements per Video durch Staatsminister Huber Aiwanger und BBV-Präsident Walter Heidl
Statt wie ursprünglich geplant im politischen Couchgespräch, kam Aiwanger in einer Videobotschaft zu Wort: „Öko aus Ägypten ist mit Sicherheit weniger öko als regional aus Bayern und diese Themen müssen wir in die Öffentlichkeit bringen.“ Regionale Verarbeitungs- und Versorgungsketten sollen zunehmend unterstützt werden, so Aiwanger, wodurch er die Bedeutung der Regionalität zum Ausdruck brachte. In Bezug auf den LEH müsse es für die Landwirte fairer zugehen und die Politik müsse gesetzgeberisch gegen den Dumpingkampf vorgehen, so der Staatsminister. Heidl erklärte in seiner Videobotschaft, dass die Wertschöpfung der landwirtschaftlichen Produkte und das breite Leistungsspektrum der Landwirtschaft zum Ausdruck gebracht werden müsse. Carolin Nuscheler der RESI Agentur, welche zu Öffentlichkeitsarbeit in der Landwirtschaft referiert hätte, appellierte in ihrem Video an die Landwirte starke Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Sie sei wichtiger denn je, um das Tun und Handeln in der Landwirtschaft zu vertreten und die Wertschätzung der regionalen Erzeugnisse auszudrücken.