Anlässlich des heutigen Equal Pay Day veröffentlichen wir das Interview mit unserer Landesvorsitzenden Tina Stünzendörfer, das auch in unserer Verbandszeitschrift „BL“ 4/2019 erschien. Darin spricht Tina über Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern, die Herausforderung als Frau in einer Führungsposition und ob sie für die Frauenquote ist.
Tina, du wurdest mit 21 zur Landesvorsitzenden der Bayerischen Jungbauernschaft e.V. gewählt. Was hat dich damals bewogen für diesen Posten zu kandidieren?
Tina: Ich liebe das Landleben und bin selbst in der Landwirtschaft groß geworden, aber natürlich sind wir gegenüber der Stadt auch in vielen Dingen benachteiligt. Daher wollte ich mich nicht nur darüber beschweren, sondern auch aktiv etwas verändern. Das geht eben nicht vom Sofa, da muss man aufstehen und sich dafür positionieren. Und deswegen war ich zuerst Sprecherin des Arbeitskreises „Jugend- und Gesellschaftspolitik“ und hab mich dann später auch als Landesvorsitzende aufstellen lassen.
Was treibt dich jeden Tag an ehrenamtliche Landesvorsitzende des größten Jugendverbandes im ländlichen Raum zu sein, das macht man ja nicht mal nebenher, oder?
Tina: Nein das macht man nicht mal nebenher (lacht), da gehört schon auch ein hohes Maß an Organisationsfähigkeit dazu. Dabei ist es immer eine Herausforderung alle Termine – egal ob Landjugend, beruflich oder privat – unter einen Hut zu bekommen. Das kann schon mal anstrengend sein. Umso schöner sind die Begegnungen, die ich durch mein Amt habe: die Sitzungen mit dem Landesvorstand und die daraus entstandenen Freundschaften oder die Begegnungen mit Politikern, die man sonst nur aus dem Fernsehen oder der Zeitung kennt.
Für welche Veränderungen in der BJB musstest du kämpfen?
Tina: Ich musste dafür kämpfen, dass ich bei den landwirtschaftlichen Verbänden als Vertreterin der BJB wahrgenommen wurde. Denn da kam schon mal die Frage, ob ich denn die Schönheitsvertreterin der Landjugend sei. Das war bestimmt nett gemeint, aber ich will nicht auf mein Äußeres reduziert werden.
Hast du die Erfahrung gemacht benachteiligt zu werden, weil du eine Frau bist? Im Ehrenamt oder beruflich/in der Ausbildung?
Tina: Oh ja, diese Erfahrungen habe ich gemacht. Erst neulich kam mal wieder ein ‚kannst du das überhaupt?‘. Zwar ergreifen immer mehr Frauen technische Berufe, aber die Skepsis der Männer bekommen wir trotzdem deutlich zu spüren. Da muss ‚frau‘ sich dann auch erst mal beweisen und zeigen, was sie kann. Das ist schon sehr deprimierend. Umso größer dann aber auch die Anerkennung, wenn ‚frau‘ überzeugt hat.
In der BJB gibt es schon lange eine paritätische Führungsspitze. Was schätzt du an der Zusammenarbeit mit Georg?
Tina: Besonders schätze ich seine Fähigkeit entspannt an die Aufgabe heranzugehen und ein Gespräch aus dem Ärmel zu schütteln. Wenn ich mich schwer tu, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll, ist Georg quasi schon mitten im Gespräch.
Seit 2016 gibt es in Deutschland ja eine Frauen- bzw. Geschlechterquote für Aufsichtsräte in börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen. Sollte die „Frauenquote“ auch für niedere Führungsebenen gelten?
Tina: Ich bin eigentlich eine bekennende Gegnerin von Quoten – egal welcher Art. Ich selbst will nicht die ‚Quotenfrau‘ sein, die nur in eine Führungsposition gekommen ist, weil es der Gesetzgeber fordert. Mehr Wertschätzung für die gemeinsame Arbeit und die Entscheidungen, die als Führungskraft getroffen werden, ist meiner Meinung nach da, wenn ‚frau‘ eine Position bekommt, weil sie es sich verdient hat und qualifiziert dafür ist. Trotzdem bin ich mir der ‚gläsernen Decke‘ bewusst, die es für uns Frauen auf der Karriereleiter gibt. Aber um daran etwas zu ändern ist für mich ein Umdenken in der Gesellschaft gefragt. Dabei muss es normal werden, dass auch mal Männer Elternzeit nehmen und den Haushalt schmeißen.
Frauen haben in der Berufswelt auch heute noch mit vielen Nachteilen zu kämpfen, beispielsweise die Einkommensungleichheit in vielen Branchen oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Welche politischen Rahmenbedingungen wären notwendig, um hier mehr Gleichstellung zu schaffen?
Tina: Grundsätzlich haben wir schon relativ gute Rahmenbedingungen, unter anderem mit dem Anspruch auf einen Betreuungsplatz. Allerdings ist es regional unterschiedlich, ob die Plätze wirklich verfügbar sind oder nicht. Was die Einkommensungleichheit angeht ist das Ganze ein bisschen schwieriger. Eine Offenlegung der Einkommen würde, meiner Meinung nach, nichts bringen und nur für Unruhe und schlimmstenfalls Neid sorgen. Da sind meiner Meinung nach Vorgesetzte beziehungsweise Personalverantwortliche gefragt, um für Gleichberechtigung zu sorgen. Das ist zwar leichter gesagt als getan, aber die Verantwortung an die Politik zu delegieren ist auch nicht die Lösung.
Was leistet die BJB als Arbeitgeber bei der Gleichstellung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Wir geben allen die Chance sich bei uns einzuleben und zu zeigen, was sie können – egal ob männlich oder weiblich, alt oder jung. Als wir unsere letzten Stellen besetzt haben, hätten sich unsere Männer über männliche Verstärkung gefreut, aber letztendlich war für uns die Qualifizierung entscheidend. (Anm. d. Red.: In der BJB sind derzeit 11 Frauen und 2 Männer hauptamtlich beschäftigt).
Zum Abschluss: Gibt es Frauen, die dich geprägt haben? Hast du Vorbilder?
Tina: Da gibt es tatsächlich jemanden. Im Bachelor hatte ich eine Dozentin, die immer top motiviert in die Vorlesung gekommen ist und wirklich Ahnung von ihrem Metier hatte, denn sie war vorher in der Wirtschaft schon weit gekommen. Egal welche Frage kam, sie hatte die Antwort schon parat und auch mal ein witziger Spruch auf den Lippen. Ihre Lockerheit aber auch die Motivation es schaffen zu können hat mich inspiriert.